25.04.2024

In eisiger Tiefe

Mit Abgrund hat Stefán Máni einen düsteren Krimi vorgelegt, der seine Spannung nach und nach aufbaut. Eine Immobilienfirma wird zur Kulisse für einen brisanten Vermisstenfall. Geschickt verknüpft Máni in seinem Roman Realität und mystische Elemente. 

 

Blick auf einen See in Island. Bild von Joshua Fuller auf Unsplash.
Ein mysteriöses Gesicht im Wasser, eine vermisste Frau: "Abgrund" von Stefán Máni. © Joshua Fuller auf Unsplash.

Eine Schwimmweste treibt auf dem Wasser. Die drei Jungen im Schlauchboot schreien. Ein Mann rennt über den Steg, springt ins Wasser. Wenig später stößt er wieder an die Oberfläche, den ohnmächtigen Sölvi im Arm. Nach dem Aufwachen kann sich der Junge nur noch an eine Gestalt im See erinnern, ein nacktes Mädchen, blond und schlank.

 

Zehn Jahre später verschwindet Sölvi erneut, zeitgleich mit einer jungen Frau. Nachdem er im Krankenhaus zu sich gekommen ist, verletzt und ohne Erinnerung, macht er sich auf die Suche nach der Vermissten und stößt dabei auf ungeahnte Abgründe.

 

In seinem jüngsten Krimi Abgrund, den er Ende März auf der Leipziger Buchmesse vorstellte, verknüpft Stefán Máni Realität und mystische Elemente, die er geschickt in den Plot einfügt. Sölvi lässt sich nicht davon entmutigen, dass ihm keiner­ glaubt, und begibt sich im Alleingang auf die Suche nach der jungen Frau, die der Gestalt im See zum Verwechseln ähnlich sieht.

 

Szenen wie ein Drehbuch

 

Mit Abgrund hat Stefán Máni einen Krimi vorgelegt, der seine Spannung langsam aufbaut und nach und nach ein erschütterndes Verbrechen enthüllt. Der Autor schreibt knapp und distanziert, zuweilen wirken die Szenen, die auf zwei Zeitebenen spielen, wie aus einem Drehbuch.

 

Máni, der zunächst als Gärtner, Fischer, Tischler, Buchbinder und Sozialarbeiter arbeitete, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete, gewann 2007 und 2013 den isländischen Krimipreis Bluttropfen (Blóðdropinn) für die Thriller Das Schiff (Skipið) und Das Haus (Húsið).

 

Und auch in Abgrund entwickelt er eine düstere Geschichte um Macht, Missbrauch und Gewalt, bei der eine Immobilienfirma zur Kulisse für einen hochaktuellen und brisanten Kriminalfall wird. In Island ist das Buch bereits 2009 erschienen; die deutsche Übersetzung wurde erst im Herbst 2023 veröffentlicht.

 

Die Gier der Finanzindustrie, die dunklen Seiten einer Allianz aus Politik und Kapital – sie sind für den Journalisten und Autor Carsten Germis der Rahmen, in dem sich Mánis Romane bewegen, wie er in seinem Nachwort schreibt. „Nur das Tor der Hoffnung durch eine andere Gesellschaft, das sieht er nicht. […] Das Böse ist nie tot, es träumt bestenfalls.“

 

 

Stefán Máni

Abgrund

228 Seiten

Polar Verlag, Stuttgart 2023



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