22.09.2022

"Auch für uns ist es ein wichtiger Ort"

In der kleinen Gemeinde Vík í Mýrdal erinnert seit 20 Jahren ein Gedenkstein an die deutschen Seeleute, die vor Island ums Leben kamen. Wir haben mit Einar Freyr Elínarson, dem Bürgermeister im Bezirk Mýrdalshreppur, zu dem Vík gehört, darüber gesprochen.

 

Blick auf das aufgewühlte Meer vor dem schwarzen Sandstrand von Vík. Bild von Jonathan Bean auf Unsplash.
Tod im Meer: Mehr als 1.200 deutsche Seeleute starben in den Gewässern vor Island. © Jonathan Bean auf Unsplash.

 

DIG: Seit 20 Jahren erinnert ein Gedenkstein in Vík an die mehr als 1.200 deutschen Seeleute, die zwischen 1898 und 1952 vor Island ums Leben kamen. Warum fiel die Wahl auf Vík?

 

Einar Freyr Elínarson: Islands Südküste ist berüchtigt und wurde bisweilen sogar als „Europas Schiffsfriedhof“ bezeichnet. Die Menschen, die in der Region lebten, kannten die Gefahren, denen die Schiffe auf See ausgesetzt waren, und kümmerten sich daher um die Schiffbrüchigen. Da der Gedenkstein nicht nur die verunglückten Seeleute ehrt, sondern auch diejenigen, die sie retteten und versorgten, war Vík der richtige Platz, und es ist außerdem ein Ort, der – inmitten grüner Berge und direkt am schwarzen Sandstrand – wunderbar gelegen ist.

 

 

DIG: Weiß man, wie viele Seeleute vor der Küste nahe Vík umkamen?  

 

Einar Freyr Elínarson: Es ist schwer zu sagen, wie viele Seeleute ertrunken sind, aber in den 80 Jahren zwischen 1898 und 1982 sind 112 Schiffe an der Küste vor Vestur-Skaftafellssýsla untergegangen und einige sind zudem weiter südlich gesunken. Darunter waren 29 deutsche Schiffe.

 

 

DIG: Island war lange Zeit einer der wichtigsten Fangplätze für deutsche Trawler – eine Entwicklung, die von isländischer Seite durchaus skeptisch gesehen wurde. Hat es Sie überrascht, dass die Idee für den Gedenkstein in Island so positiv aufgenommen wurde? Zur Einweihung kam sogar der isländische Parlamentspräsident nach Vík.

 

Einar Freyr Elínarson: Nein, das war keine Überraschung. Das Schicksal der vor der Küste auf Grund gelaufenen Schiffe ist auch ein wichtiger Teil unserer Geschichte.  Die Menschen hier haben es als ihre Aufgabe angesehen, den schiffbrüchigen Seeleuten zu helfen, und diese Empathie und Verbundenheit besteht fort. Der Gedenkstein ist noch immer ein sehr wichtiger Ort – für Einheimische und Reisende gleichermaßen. 

22.09.2022 | Foto: DIG

In Vík í Mýrdal im Süden Islands erinnert ein Gedenkstein an die deutschen Seeleute, die zwischen 1898 und 1952 auf Fangfahrt im Norden ums Leben kamen. Vor 20 Jahren wurde es eingeweiht – als Ehrenmal und Symbol für die deutsch-isländische Freundschaft. Mehr

 


DIG: Der Gedenkstein hat selbst eine „bewegte“ Geschichte. 2005 musste er verlegt werden. Wie kam das?

 

Einar Freyr Elínarson: Die Seeleute, die an der Südküste Islands auf Fischfang gingen, wussten sehr genau, dass das Meer gibt und das Meer nimmt. Das hat sich auch mit Blick auf den Gedenkstein bewahrheitet. 2005 ist ein großer Teil der Küste vor Vík weggebrochen; daher erschien es vernünftig, den Gedenkstein ein Stück weiter ins Landesinnere zu versetzen, um ihn zu schützen.

 

 

DIG: Heute wird der Gedenkstein in vielen Reiseführern erwähnt. Sind es vor allem deutsche Touristen, die sich den Ort anschauen, oder ist die Erinnerung an das Schicksal der Seeleute und den Einsatz der Retter auch in Island noch präsent?

 

Einar Freyr Elínarson: Der Gedenkstein wird von Menschen aus aller Welt besucht, sowohl Einheimischen als auch Reisenden, und ist Teil unseres Kulturpfades. Im Maritimen Museum Hafnleysa (Ohne Hafen) in Vík ist die Ausstellung Good strand or bad zu sehen; sie erzählt die Geschichte der verunglückten Schiffe, der Seeleute und der Bauern, die ihre Häuser für die Schiffbrüchigen geöffnet haben.

 

In dem Museum befindet sich übrigens auch das isländische Schiff Skaftfellingur, das 1942 der Mannschaft des deutschen U-Bootes U464 zu Hilfe kam, nachdem dieses im Süden Islands von einem US-Flugboot versenkt worden war. 


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