25.02.2023

Dröhnendes Schweigen

Mit der jungen Polizistin Elma hat Eva Björg Ægisdóttir eine Protagonistin erschaffen, die als Fremde in der eigenen Stadt beharrlich und unerschrocken ermittelt – und in Verschwiegen eine düstere Geschichte von Missbrauch, Wegschauen und Ohnmacht aufdeckt.

 

Blick auf einen Leuchtturm am Meer. Bild von Willian Justen de Vasconcellos auf Unsplash.
Eine Tote am Leuchtturm und viele Fragen: "Verschwiegen" von Eva Björn Ægisdóttir. © Willian Justen de Vasconcellos auf Unsplash.

 

Die Tote vom Leuchtturm ist keine Fremde. Sie ist in Akranes geboren, lebte bei ihrer Mutter, hatte Nachbarn, Lehrer und Mitschülerinnen. Und doch weiß keiner etwas über die Frau namens Elísabet. Das Ermittlerteam tappt im Dunkeln.

 

Seit Jahren lebte das Opfer mit Mann und Kindern in der Hauptstadt, hatte kaum Kontakte, eine Einzelgängerin. Warum kehrte Elísabet jetzt an den Ort ihrer Kindheit zurück, und wen hat sie getroffen?

 

Polizistin Elma, die sich nach dem Ende ihrer Beziehung in ihre Heimatstadt Akranes hat versetzen lassen, ist überzeugt, dass der Schlüssel zu dem Mordfall in der Vergangenheit des Opfers liegt.

 

Verschwiegen ist das Debüt von Eva Björg Ægisdóttir, die selbst aus der Kleinstadt im Norden Reykjavíks stammt und heute mit Partner und Kindern in der isländischen Hauptstadt lebt.

 

Der Krimi schaffte es bis an die Spitze der isländischen Bestseller-Liste und wurde unter anderem mit dem Svart Fuglinn (Schwarzer Vogel) Award ausgezeichnet.

 

Beharrlich und unerschrocken: Ermittlerin Elma

 

Ermittlerin Elma folgt ihrem Bauchgefühl, spricht mit einstigen Weggefährten der Toten und versucht, aus den bruchstückhaften Aussagen ein Bild zusammenzufügen.

 

In den Fokus geraten schon bald der Immobilienmakler Hendrik und seine Frau Ása, ihr Sohn Barni und dessen schöne Frau Magnea, Hendriks gewalttätiger Bruder Tómas und dessen Partnerin Ásdís, und auch Elísabets Ehemann Eiríkur gehört zu den Verdächtigen.

 

Mit der jungen Polizistin Elma hat Aegisdóttir eine Protagonistin erschaffen, die beharrlich und unerschrocken ermittelt – gegen den Willen ihres Chefs Hörður, der den angesehenen Immobilienhändler nicht gegen sich aufbringen will.

 

Nach und nach findet Elma heraus, was dem Opfer als Kind widerfahren ist. Ein lange zurückliegendes Verbrechen, das Jahre später eine Kettenreaktion auslöst. Die Leser:innen sind dabei nicht schlauer als die Polizistin, was die Spannung erhöht.

 

Geschickt spielt Ægisdóttir mit verschiedenen Zeitebenen und Perspektiven. Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht des Kindes, folgt den verdächtigen Personen und der Ermittlerin.

 

Ein lange zurückliegendes Verbrechen

 

Daneben gibt es eine Vielzahl weiterer Zeugen, so dass nicht immer sofort klar wird, wo die Szene spielt. Doch am Ende führt die Autorin die Fäden gekonnt zusammen.

 

Es geht um Missbrauch und Vernachlässigung, Wegschauen und Ohnmacht. Das Opfer wollte das Schweigen durchbrechen und diejenigen zur Rechenschaft ziehen, die Schuld auf sich geladen haben. Das kostete die Frau am Ende das Leben.  

 

Es ist eine düstere Geschichte, die Unbehagen hinterlässt. Am Ende ist zwar klar, wer die Tat begangen hat; doch eine gerechte Strafe gibt es nicht.

 

Dafür erfährt man etwas über Elma, das diese in einem neuen Licht erscheinen lässt – und Lust macht auf weitere Streifzüge mit dieser ebenso starken wie dünnhäutigen Ermittlerin.

 

 

Text: Nicole Maschler

 

 

Eva Björg Ægisdóttir

Verschwiegen

Verlag Kiepenheuer & Witsch 2023

364 Seiten



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