23.10.2022

Eiskalter Tod

Vier Tote im Hochland, fast unbekleidet und scheinbar ohne Ziel. Rettungshelferin Jóhanna lässt die rätselhafte Geschichte nicht mehr los, und plötzlich geschehen merkwürdige Dinge. In Schnee spielt Islands Krimi-Star Yrsa Sigurðardóttir mit unserer Wahrnehmung. 

 

Isländischer Gletscher Jökulsárlón. Bild von Miles Storey auf Unsplash.
Nur scheinbar friedlich: das isländische Hochland im Thriller "Schnee". © Miles Storey auf Unsplash.

 

Die Tote liegt im Schnee, bis auf die Unterwäsche entkleidet. Hat sie sich ihre Sachen trotz der eisigen Temperaturen vom Leib gerissen – ein klassischer Kältetod, Fehlfunktion des Gehirns, eine Sinnestäuschung? Polizei und Rettungskräfte sind ratlos.

 

Wenig später finden die Helfer die anderen Leichen, halbnackt auch sie. Vier Freunde, eine unerfahrene Wandergruppe, mitten im isländischen Hochland, ohne Auto, Handy und scheinbar ohne Ziel.

 

Rettungshelferin Jóhanna lässt die rätselhafte Geschichte nicht los. Sie schläft schlecht und fühlt sich selbst in den eigenen vier Wänden zunehmend unwohl. Plötzlich steht die Eingangstür offen, der Nachbarshund wittert unsichtbare Eindringlinge, und dann sind da noch diese eiskalten Berührungen.

  

Mit Schnee hat Islands bekannteste Krimi-Autorin Yrsa Sigurðardóttir einen beklemmend düsteren Thriller vorgelegt. Schon auf den ersten Seiten stellt sich ein Unbehagen ein, das bis zum Ende anhält. Was ist wahr und was Einbildung? Der Grat zwischen Wirklichkeit und Wahn – er ist äußerst schmal.

 

Während die vier Freunde, die eben noch erschöpft und verzweifelt um ihr Leben kämpften, von Jóhanna und ihren Kolleg:innen im Schnee geborgen werden, schiebt Techniker Hjörvar in der abgelegenen Radarstation am Gletscher seine Schicht.

 

Drei Handlungsstränge, überraschendes Finale

 

Ein Einzelgänger, der nur Kontakt zu seinem Bruder hat und ansonsten lieber seine Ruhe – bis er zum ersten Mal dieses merkwürdige Knacken in der Telefonanlage hört. Sein Vorgänger ist bei den Felsen zu Tode gestürzt; psychisch labil sei er gewesen, heißt es. Oder war es doch ganz anders?

 

Die drei Handlungsstränge stehen zunächst scheinbar unverbunden nebeneinander, bis sie am Ende in einem überraschenden Finale zusammenlaufen.

 

Sigurðardóttir habe „ein neues Niveau“ erreicht, wirbt der Verlag, und tatsächlich gehört der Thriller zum Spannendsten, was Islands Krimi-Star bisher vorgelegt hat. Nach der Serie um Ermittler Huldar und Kinderpsychologin Freyja überzeugt Schnee als Stand-alone, der seine Spannung aus den verschiedenen Zeitebenen und Erzählsträngen zieht und geschickt mit Horror-Elementen spielt.

 

Dabei wünscht man sich mehr als einmal ein Ermittlerteam, das am Ende einen gelösten Fall, den Täter und einfache Erklärungen präsentiert.

 

Alles andere ist doch auch nur Einbildung. Oder? 

 

 

Yrsa Sigurðardóttir 

Schnee 

btb Verlag 2022

352 Seiten



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