14.10.2023

Gemeinsam haben Islands Krimi-Star Ragnar Jónasson und Regierungschefin Katrín Jakobsdóttir den Thriller Reykjavík geschrieben. Die Story um ein seit 30 Jahren verschwundenes Mädchen ist bestes Teamwork und überzeugt durch einen ungewöhnlichen Kniff. 

Valur Robertsson und Sunna betreiben Arbeitsteilung. Unfreiwillig, denn der Journalist kommt während einer Ermittlung ums Leben – brutal vor einen Bus gestoßen, wie ein Zeuge bestätigt.

Seine Schwester will der Sache auf den Grund gehen und setzt Valurs Recherchen zum Verschwinden der jungen Lára fort.

Teamwork ist es auch, was der isländische Krimi-Star Ragnar Jónasson und Islands Premierministerin  Katrín Jakobsdóttir praktizieren: Zusammen haben die beiden einen packenden Thriller über ein ungeklärtes Verbrechen geschrieben; Ende August wurde das Werk auf Englisch veröffentlicht. Reykjavík heißt der 360-Seiten-Schmöker, der bei Penguin Books UK erschienen ist.

Mord ohne Leiche?

Zwar recherchieren Valur und seine Schwester größtenteils in der Reykjavíker High-Society. Doch der Mord, wenn es denn einen gab, hat sich 1956 auf der kleinen Insel Viðey vor der Stadt zugetragen.

Lára hat in den Sommerferien als Haushaltshilfe auf der beschaulichen Insel gearbeitet – bis sie eines Tages wie vom Erdboden verschluckt war. Allein, eine Leiche fehlt bis heute.

Ihre Gasteltern Óttar und Ólöf haben wiederholt versichert, dass es keinen Streit gab und Lára eines Tages einfach ihre Sachen gepackt habe. Doch entspricht dies den Tatsachen?

Jónasson und Jakobsdóttir ist mit ihrem ersten gemeinsamen Krimi ein dichter Fall gelungen, der trotz einiger Längen in den Bann zieht.   

Die Zusammenarbeit der beiden „partner in crime“ könnte besser nicht funktionieren. Beim Lesen vermag man nicht zu sagen, welcher Buchteil von wem geschrieben wurde. Das mag auch daran liegen, wie der Plot aufgebaut ist.

Während der erste Teil Journalist Valur auf der Suche nach der Wahrheit folgt, der für seine Hartnäckigkeit mit dem Leben bezahlen muss, ist Part zwei komplett aus Sicht seiner Schwester Sunna geschrieben.

Ein ungewöhnlicher Kniff, den Helden mitten in der Geschichte sterben zu lassen – und einer, der eine Menge Erfahrung im Storytelling erfordert, damit er funktioniert. Doch daran mangelt es beiden Partnern nicht.

Agatha Christie-Fans unter sich

Schon länger wollte Krimi-Routinier Jónasson die Regierungschefin überreden, ein Buch mit ihm zu schreiben. Allein, die Weltläufte dürften es schwer gemacht haben, ausreichend Zeit für das Projekt zu finden. Energiekrise, Inflation, Ukraine-Krieg – wenig Muße für eine Spitzenpolitikerin, sich der Schriftstellerei hinzugeben.

Am Ende dürfte nicht zuletzt das ungewöhnliche Setting Jakobsdóttir überzeugt haben. Die Geschichte spielt 1986 – im Jahr, als Islands Hauptstadt ihren 200. Geburtstag feiert und Ronald Reagan und Michail Gorbatschow sich in Reykjavík zum Abrüstungsgipfel treffen.

Mit Katrín Jakobsdóttir hat Crime-Experte Ragnar Jónasson nicht nur einen Agatha Christie-Fan an seiner Seite. Die Regierungschefin schrieb auch ihre Abschlussarbeit an der Uni über Arnaldur Indriðason, Islands erfolgreichsten Krimi-Autor.

So viel Thriller-Expertise hat der Kooperation definitiv nicht geschadet.

Text: Nicole Maschler

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