08.08.2022

Auf dem Flug zu sich selbst

Mit Solon Islandus begibt sich der junge Komponist Gabriel Ólafs auf Entdeckungsreise zu den künstlerischen Wurzeln seiner Heimat Island. Inspiriert von 100 Jahre alten Gedichten, bewegt sich seine Musik beinahe schwerelos zwischen Tradition und Moderne.   

 

Rabe. Bild von Meg Jerrard.
"Schwarze Federn": Für sein Album ließ sich Gabriel Ólafs von seinem Lieblingsdichter Davíð Stefánsson inspirieren. © Meg Jerrard auf Unsplash.

 

Die Entdeckungsreise beginnt im Herzen Reykjavíks. Am alten Hafen, dort wo Tradition und Moderne aufeinandertreffen.

 

„Mein Urgroßvater, der Navigator für Schiffe war, arbeitete genau dort, wo das große Glasgebäude der Harpa-Konzerthalle steht“, sagt Gabriel Ólafs.

 

Hier hat der isländische Komponist sein neues Album aufgenommen, das jetzt bei Universal Music erschienen ist. Entstanden ist so ein sehr persönliches Werk. „Eine Hommage an mein Heimatland, seine Kultur und Literatur.“

 

Das Album ist inspiriert von der Poesie des Dichters Davíð Stefánsson (1895-1964). Ein Neoromantiker und Erneuerer der isländischen Lyrik, der tagsüber als Bibliothekar in Akureyri arbeitete und am Abend Gedichte von kunstvoller Einfachheit schrieb.

 

Texte, die das innere Erleben des Einzelnen spiegeln und dem Ästhetizismus verpflichtet sind. „Mein Vater hat mir als Kind immer seine Gedichte vorgelesen, also fühlte es sich sehr vertraut und nah für mich an“, erinnert sich Gabriel Ólafs.  

 

Poetische Klangmelodien

 

Besonders berührt hat ihn Stefánssons frühe Gedichtsammlung Schwarze Federn (Svarar fjaðrir), veröffentlicht vor mehr als 100 Jahren, als der Dichter im gleichen Alter war wie Ólafs jetzt.

 

Das Pressefoto zum Album zeigt den jungen Musiker in einem schwarzen Federkostüm, magisch und rätselhaft zugleich.

 

 

Der isländische Komponist Gabriel Ólafs. © Anna Maggy.

„Historisch gesehen war das künstlerische Erbe Islands immer die Literatur“, sagt Gabriel Ólafs.

 

„Das geht zurück bis zu den Wikingern, sie schrieben Gedichte und Geschichten und gaben sie über Generationen hinweg weiter, aber heute glaube ich, dass unser stärkstes künstlerisches Medium in Island die Musik ist“, sagt er in dem Video zum Album The Story of Solon Islandus.

 

Und so will er in seinen Stücken die Aussage der Gedichte musikalisch einfangen.

 

Das gilt auch für das Titelstück, benannt nach Stefánssons einzigem Roman, der die tragische Lebensgeschichte von Sölvi Helgason erzählt, der sich Sólon Íslandus nannte.

 

 


 

Ein Künstler und Vagabund, der fast sein gesamtes Leben unterwegs war, der malte, schrieb und im Gefängnis saß und dessen vielseitiges Werk zu Lebzeiten ignoriert wurde.

 

Es sind Geschichten wie diese, die Gabriel Ólafs anregen. „Ich bin ein sehr visueller Mensch“, beschreibt er selbst seine Arbeit. „Man könnte sagen, das Album ist der Soundtrack zu einem nicht-existenten Film.“

 

Zwischen Kammermusik und Ambient

 

An Filmmusik erinnern auch seine elegischen Melodien, die sich zwischen zeitgenössischer Kammermusik und elektronischen Ambient-Arrangements bewegen, ein leises Zusammenspiel aus Klavier, Ensemble und Chor.

 

Nicht umsonst vergleichen ihn Kritiker mit Klangkünstlern wie Yann Tiersen, dem 2018 verstorbenen Jóhann Jóhannsson oder Ólafur Arnalds, dem neuen Star der Neo-Klassik-Szene.

 

Und wie sein Landsmann wurde auch Gabriel Ólafs als "Wunderkind" gefeiert, spielte er doch bereits mit fünf Jahren am Klavier. Mit 14 schrieb er sein erstes Stück Absent Minded, das ihm schon bald einen Plattenvertrag einbrachte. Bei einem TV-Auftritt war er dem Manager von Islands Superstar Björk aufgefallen, der ihn mit dem britischen Label One Little Indian zusammenbrachte.

 

Seither sind Gabriel Ólafs Stücke millionenfach gestreamt worden. Seine Musik, so das Magazin Pop Matters, sei „voller Schönheit.

 

Ein transmediales Projekt

 

Gabriel selbst beschreibt sein neues Werk so: „Solon Islandus ist fast wie ein Multimedia-Fenster in die Vergangenheit und die Zukunft meines Heimatlandes.“

 

Und so lag es nahe, für das neue Werk mit der Iceland Dance Company zusammenzuarbeiten. Denn auch das nationale Tanzensemble Islands, das im Stadttheater von Reykjavík beheimatet ist, sucht den engen Austausch mit anderen Kunstformen wie der Musik.

 

In den Videos zum Album erwecken die Tänzer:innen die Musik zum Leben, ganz wie es Gabriel mit den Gedichten tut. Und so ist Solon Islandus ein spannendes transmediales Projekt, das Islands künstlerischem Geist huldigt.

 

 

Text: Nicole Maschler

 

 

 

Gabriel Ólafs

Solon Islandus

CD-Audio

Universal Music



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