21.12.2023

Heiligabend ohne Bücher - das ist für Isländerinnen und Isländer wie Winter ohne Schnee. 40 Prozent aller Bücher werden in Island in der Weihnachtszeit verkauft. Jólabókaflóð, die isländische Bücherflut, ist selbst bis zu uns geschwappt. Aber lesen Sie doch selbst!.

Kriminell gute Teamarbeit

Gemeinsam haben Islands Krimi-Star Ragnar Jónasson und Regierungschefin Katrín Jakobsdóttir den Thriller Reykjavík geschrieben. Die Story um ein seit 30 Jahren verschwundenes Mädchen ist bestes Teamwork und überzeugt durch einen ungewöhnlichen Kniff.

Während der erste Teil Journalist Valur auf der Suche nach der Wahrheit folgt, der für seine Hartnäckigkeit mit dem Leben bezahlen muss, ist Part zwei komplett aus Sicht seiner Schwester Sunna geschrieben, die seinem Tod auf den Grund gehen will. Jónasson und Jakobsdóttir ist mit ihrem ersten gemeinsamen Krimi ein dichter Fall gelungen, der in den Bann zieht. Die Auflösung ist überraschend.

Kein Wunder, hat Islands Crime-Experte mit der Premierministerin doch einen wahren Krimi-Fan an der Seite.

Eiskalter Mord

Áróras Schwester ist in Island verschwunden. Ihre Mutter drängt die Finanzermittlerin, nach der Vermissten zu suchen. Verdächtige gibt es viele; doch das weiß die Geschäftsfrau nicht. Und so tappt sie im neuesten Thriller von Lilja Sigurðardóttir Höllenkalt lange im Dunkeln.

Bald schon rückt die Erzählung drei Verdächtige in den Fokus. Jeder von ihnen könnte es gewesen sein. Doch als Leser:in ist man nicht schlauer als die Hauptfigur und folgt der Geschichte atemlos. Die kurzen zwei- bis vierseitigen Kapitel sorgen für ein hohes Erzähltempo. Durch die ständig wechselnde Perspektive verstärkt sich die Wirkung.

Düster und beunruhigend.

Mutterseelenallein

Im zweiten Teil ihrer Krimiserie um Ermittlerin Elma zeigt uns Eva Björg Ægisdóttir Island erneut von seiner düsteren Seite. In Verlogen wird eine alleinerziehende Mutter tot in einem Lavafeld gefunden. Bisher gingen alle von Selbstmord aus. Nun geht es um Mord.

Erzählt wird die Geschichte aus zwei Perspektiven und auf unterschiedlichen Zeitebenen, und erst im letzten Drittel des Buches zeigt sich, dass die Autorin ihre Leserschaft die ganze Zeit über auf die falsche Fährte geführt hat.

Mit Verlogen hat Eva Björg Ægisdóttir erneut einen finsteren Krimi mit sozialkritischen Anklängen vorgelegt, der lange nachwirkt.  

Sonnenschein und Kinnhaken

Ein Buch mit der Wucht eines Kinnhakens: Nach seinem Bestseller 60 Kilo Sonnenschein hat der isländische Großmeister Hallgrímur Helgason sich erneut auf die Spuren des Waisenjungen Gestur begeben, der inzwischen volljährig ist.

Aus dem rückständigen Kaff Segulfjörður ist zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein prosperierender Umschlagplatz der Fischindustrie geworden – dem Hering sei Dank. Doch mit dem Wohlstand hält auch die Kriminalität Einzug, und Gestur muss lernen, dass das Leben nicht nur aus Sonnenschein besteht, sondern auch fiese Fausthiebe verteilen kann.

Wuchtig, mit viel Erzählwitz und melancholischen Zwischentönen zeichnet Hallgrímur Helgason Islands holprigen Weg in die moderne Welt und verzahnt in dem auf drei Teile angelegten Werk ganz unterschiedliche Genres wie Historienroman, Liebesgeschichte, Satire und Krimi. 60 Kilo Kinnhaken wurde in Island als bester Roman des Jahres ausgezeichnet.

Lesehilfe vom Autor

600 Stück. So viele Gedichte und Texte hatte Ragnar Helgi Ólafsson in seiner Sammlung Lose Blätter, die er zusammenbinden wollte, damit sie nicht verloren gehen, wie er es mit einem Augenzwinkern ausdrückt.

Der gleichnamige Band umfasst nun eine sehr persönliche Auswahl von 150 Texten: Spottgedichte, Reisezyklen, Liebesgeschichten, Wiegenlieder, Trauerverse. Entstanden ist so ein "poetisches Tagebuch".

Die Gestaltung des Werkes hat Ólafsson, der auch als Grafikdesigner arbeitet, selbst übernommen. Alle Bücher enthalten ein individuelles Lesezeichen. Eine Empfehlung Ólafssons, in welcher Reihenfolge die Texte zu lesen sind. Eine charmante Idee.

Umweltroman für die Kleinen

Dagny ist sauer. Sie soll ihre „Insel-Oma“ besuchen, die sich das Becken gebrochen hat und Hilfe benötigt. Auf dem wetterumtosten Eiland angekommen, stellt sich die Lage ganz anders dar, als Dagny und ihr Bruder Ingo es erwartet haben.

Alle Einwohner leben in einem Hochhaus mit 12 Etagen. Hier ist es nicht selbstverständlich, Licht zu haben, wenn man auf den Schalter klickt. Für Strom muss geradelt und geschaukelt werden und jede(r) auf der Insel etwas für die Gemeinschaft beitragen.

Dagny möchte am liebsten sofort wieder abreisen; doch die nächste Fähre geht erst im Mai. Und dann passieren auch noch seltsame Dinge. Arndís Thórarinsdóttir und Hulda Sígrún Bjarnadóttir ist mit 12 Stockwerke. Mein unglaubliches Zuhause am Ende der Welt ein humorvoller Familien- und Umweltroman für Kinder ab 10 Jahren gelungen – ein spannendes Gedankenexperiment, wie es sich mit knappen Ressourcen lebt, und ein Buch, das zum Nachdenken anregt.

Ein Buch voller Inspiration

Islands First Lady Eliza Reid hat ein bemerkenswertes Buch über die Frage geschrieben, weshalb der Inselstaat beim Thema Gleichberechtigung besser abschneidet als viele andere Länder.

Für ihr Buch Das Geheimnis der Sprakkar hat sie 40 Frauen im ganzen Land besucht, darunter eine Bäuerin, eine Seefrau, eine Rapperin und eine Sex-Beraterin. Außergewöhnliche Frauen – denn nichts anderes bedeutet das alte isländische Wort Sprakkar.

Das Buch lebt von persönlichen Erfahrungen – Reids eigenen und denen der Frauen, mit denen sie spricht. Aber es beschränkt sich nicht auf den privaten Bereich, sondern nimmt auch gesellschaftliche Faktoren in den Blick. Faszinierend.

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