15.02.2022

Die Kunst der Gegensätze

Die Ausstellung Parallel Dimensions I/II in der Botschaft von Island in Berlin spürt dem Zusammenspiel von Kunst, Wissenschaft und Technik nach. Zu sehen sind isländische Künstlerinnen und Künstler, die Zeit und Raum ausloten und so neue Wirklichkeiten schaffen. 

 

Szene aus der Videoinstallation "Uncontainable Truth" (2021). Bild von María Dalberg.
Szene aus der Videoinstallation "Uncontainable Truth" (2021), derzeit zu sehen in den Nordischen Botschaften. © María Dalberg.

 

 

Kultur und Technik – Kulturtechnik? Seit dem frühen 20. Jahrhundert haben sich Kunstschaffende in ihren Werken mit dem technologischen Wandel auseinandergesetzt. In ihrer neuen Ausstellung Hliðstæðar víddir I/II – Parallel Dimensions I/II erforscht die Botschaft von Island in Berlin jetzt das Zusammenspiel von Kunst, Wissenschaft und Technologie.

 

Zu sehen sind zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler aus Island, die eine Brücke zwischen beiden Sphären schlagen – indem sie neue Medien für ihre Arbeit nutzen, in ihren Werken Zeit und Raum ausloten und unsere Wahrnehmung von Wirklichkeit hinterfragen.

 

Die Ausstellung, von der isländischen Kuratorin Ástís Spanó mit großer Sorgfalt zusammengestellt, wird in zwei Teilen präsentiert. Im ersten Teil, der bis zum 27. März 2022 im Felleshus - dem Gemeinschaftshaus der Nordischen Botschaften in Berlin - zu sehen ist, sind Werke von María Dalberg, Ragnar Kjartansson und Hrafnkell Sigurðsson zu entdecken. Dazu gibt es ab heute wöchentliche Führungen und im März ein begleitendes Filmprogramm.

 

Der zweite Teil der Schau wird im Januar 2023 im Felleshus zu sehen sein.

 

 

                            Foto: Szene aus Uncontainable Truth. © María Dalberg.

 

 

María Dalberg - Uncontainable Truth (2021)

 

In der Videoinstallation Uncontainable Truth (2021) begibt sich María Dalberg auf die Spuren isländischer Frauen, die als Landlose seit dem frühen 17. Jahrhundert gezwungen waren, sich bei reichen Bauern zu verdingen. In einer kargen Winterlandschaft sehen wir sie in roten Gewändern, wie sie im eiskalten Wasser Kleidung ihrer Herrschaft waschen.

 

Wurden die meist unverheirateten Arbeiterinnen schwanger, brachten sie ihre Kinder oft heimlich zur Welt; denn Sex außerhalb der Ehe galt als Verbrechen. Starb das Baby oder wurde es ausgesetzt, drohte der Mutter die Todesstrafe. Und so hat die rote Farbe, auf die wir im Film immer wieder stoßen, viele Bedeutungen, steht für Liebe und Leidenschaft, Blut und Schande, Leben und Tod.

 

Im Hintergrund rezitiert eine Frau ein Gedicht – eine Collage, die María Dalberg aus zeitgenössischen Gerichtsakten und historischen Berichten geschaffen hat, um den Opfern Namen und eine Stimme zu geben. Mittels digitaler Technik wird Geschichte so hör- und erfahrbar - ein transhistorisches Kunstprojekt.

 

 

 

                         Foto: Szene aus Figures in Landscape. © Ragnar Kjartansson.

 

 

Ragnar Kjartansson - Figures in Landscape (2018) 

 

In der Videoinstallation Figures in Landscape (2018) von Ragnar Kjartansson durchstreifen Personen in weißen Laborkitteln eine künstliche Landschaft, die einer historischen Filmkulisse gleicht. Wald, Wüste, Strand, schneebedeckte Berge – es ist ein archetypisches Bild von Natur, die hier ausgestellt wird.

 

Die Figuren erscheinen in ihrer Aufmachung wie Vertreter:innen von Wissenschaft und Logik. Doch schon bald wird deutlich, dass von Fortschritt keine Rede sein kann. Die Personen wandern auf der Bühne umher, halten inne, warten auf ein Ereignis, das doch niemals eintritt. Verstärkt wird die Absurdität ihres Tuns durch die vollkommene Stille, die auf der Bühne herrscht.

 

Im Angesicht der Natur wirkt der Mensch verloren und grotesk. Und so ist es am Ende der Eindruck von Vergänglichkeit, der bleibt. Jede der Szenen hat eine Länge von 24 Stunden. Sieben Tage, eine Woche – die Zeit, sie steht im Zentrum.

 

 

 

                         Foto: Resolution. © Hrafnkell Sigurðsson.

 

 

Hrafnkell Sigurðsson - Resolution (2020) 

 

Für Resolution (2020) hat Hrafnkell Sigurðsson ein Foto genutzt, das vom Hubble-Teleskop in den Tiefen des Weltraums aufgenommen wurde.

 

Indem er einen Bildpunkt – ein Pixel – vergrößert, entsteht eine neue Wirklichkeit. Mit Hilfe von Bildbearbeitungsprogrammen werden Konturen sichtbar, die zuvor nicht zu sehen waren. Das so entstandene Werk erinnert an florale Stilleben.

 

Mittels digitaler Technik offenbart sich die verborgene Schönheit der Natur. Eine Arbeit, die die Grenzen von Zeit und Raum auflöst und zugleich unsere Wahrnehmung und Interpretation von Realität hinterfragt.

 

 

 



 

Ausstellung Hliðstæðar víddir I/II – Parallel Dimensions I/II

Nordische Botschaften

Felleshus – Gemeinschaftshaus

Rauchstraße 1 | 10787 Berlin

 

Eintritt frei und ohne Anmeldung; es gilt die 2G-Regel

Informationen zur Ausstellung

 

 

Führungen

vom 15.02.2022 bis zum 24.03.2022

jeweils dienstags und donnerstags um 12, 13, 16, 17 und 18 Uhr sowie

Samstag, den 19.02.2022, um 13 und 15 Uhr

 

Eintritt frei, Anmeldung erbeten; es gilt die 2G-Regel

Link zur Anmeldung

 

 

Rahmenprogramm zur Ausstellung

 

03.03.2022, 19 Uhr – Filmabend

Börn náttúrunnar / Children of Nature

Regie: Friðrik Þór Friðriksson

 

14.03.2022, 19 Uhr – Filmabend

Hross í oss / Of Horses and Men

Regie: Benedikt Erlingsson

 

 

Finissage mit Führungen, Film & Musik

 

24.03.2022, 17 Uhr – Filmabend und Vorstellung der RVX Studios

 

Maður og verksmiðja / Man and Factory

Regie: Thorgeir Thorgeirson

 

Djúpið / The Deep

Regie Baltasar Kormákur

 

RVX Studios

Vorstellung der Filmstudios 

 

 

24.03.2022, 20 Uhr – Jazzkonzert

mit Sölvi Kolbeinsson und Magnús Trygvason Eliassen

 


27.12.2021 | Foto: DIG

Reise in die Kälte

Fotograf Ragnar Axelsson fängt die Schönheit der Arktis ein. Mehr

02.02.2022 | Foto: Unsplash

Malabenteuer vor Island

Auf einer Bootstour um die Insel sind 400 Bilder entstanden. Mehr