27.12.2021

Reise in die Kälte

In eindrucksvollen Schwarz-Weiß-Bildern erzählt Ragnar Axelsson vom Leben am Rande der bewohnbaren Welt und fängt die gefährdete Schönheit der Arktis ein. Jetzt sind die Bilder des Isländers erstmals in einer großen Schau auch bei uns zu sehen. 

 

Kamera und Negative liegen auf Buchseite. Bild von DIG
Jäger der Arktis: Schlittenhund in Grönland. © DIG.

 

RAX – mit diesem Kürzel zeichnete Ragnar Axelsson über Jahrzehnte seine Bilder für die Tageszeitung Morgunblaðið. Heute ist der isländische Fotograf unter dem Sigel weltberühmt. Seit vielen Jahren dokumentiert der 63-Jährige das Leben in der Arktis.

 

Die Versicherungskammer Kulturstiftung zeigt nun die erste Retrospektive im Kunstfoyer München: Where the World is Melting ist eindrucksvolle Werkschau und Weckruf zugleich. Denn das ewige Eis – es schmilzt.

 

Seit vier Jahrzehnten bereist Ragnar Axelsson die entlegensten Gebiete Grönlands, Islands und Sibiriens. Entstanden sind dabei faszinierende Landschaftsbilder und Porträtaufnahmen, die vom Leben am Rande der bewohnbaren Welt erzählen.  

 

Bilder, die von der unbeschreiblichen Kälte und Rauheit der Region zeugen und zugleich von berückender Schönheit und Intensität sind.

 

In der Münchener Ausstellung sind Fotos aus den Serien Faces of the North (Gesichter des Nordens), Glacier (Gletscher), Last Days of the Arctic (Letzte Tage der Arktis) und Arctic Heroes (Helden der Arktis) zu sehen. Schwarz-Weiß-Aufnahmen von großer Klarheit und doch voller Wucht.

Fotos: Ragnar Axelsson

Für seine Arbeiten hat Axelsson zahlreiche internationale Preise erhalten, darunter den renommierten Grand Prix de Photo de Mer und den Leica Oskar Barnack AwardSeine Bilder erscheinen in der New York Times, dem National Geographic Magazine oder Le Figaro und werden in Paris, London, Moskau und New York in Ausstellungen und Museen präsentiert.

 

Der Fotografie widmet sich der Isländer seit seiner Kindheit. Einst lieh ihm sein Vater eine alte Leica-Kamera; als 16-Jähriger überzeugte er den Fotoredakteur der Tageszeitung Morgunblaðið, ihn während der Sommerferien zu beschäftigen. Nach seiner Ausbildung erhielt er 1976 eine Festanstellung – und blieb.

 

1987 unternahm er die ersten Reisen nach Grönland. Seither ist er immer wieder dorthin zurückgekehrt. Und so zeigen seine Bilder auch, wie sich der arktische Raum verändert.

 

Fachleute gehen davon aus, dass die Gletscher in Island in 150 bis 200 Jahren verschwunden sein werden. Allein seit dem Jahr 2000 gingen 800 Quadratkilometer Gletschermasse verloren.

 

Würden Islands weißen Riesen komplett abschmelzen, hätte das einen Anstieg des Meeresspiegels um einen Zentimeter zur Folge – mit fatalen Konsequenzen für die Küstenregionen. Fällt das gewaltige Gewicht des Eises weg, hebt sich zudem die Erdkruste und es kann zu vermehrten Eruptionen und Vulkanausbrüchen kommen.

 

 

Axelsson, das drückt jedes einzelne seiner Bilder aus, sorgt sich um die Arktisregion. Im Video zur Ausstellung erklärt er, was ihn antreibt. 

 

„Es ist wichtig, dass die Leute sich erinnern, dass dort Menschen wohnen, deren Leben sich verändern wird. Ich möchte diese Dinge zeigen und deutlich machen, was passiert, wenn die Gletscher schmelzen.“

 

Inzwischen hat der 63-Jährige sieben Bücher herausgegeben. The Face of the North gewann 2016 den Isländischen Literaturpreis. Und erst in diesem Monat hat die renommierte Fachzeitschrift Le Monde de la Photo sein Buch Arctic Heroes über Grönlands Schlittenhunde zum besten Bildband des Jahres gewählt.

 

Im Video zu dem Fotobuch gibt er einen Einblick in seine Arbeit. 

 

„Es ist eine große Herausforderung, in Boxhandschuhen zu fotografieren. Da sind diese extreme Kälte und Schneestürme, Du kannst nicht atmen. Aber das Verrückte ist: Sobald Du wieder zuhause bist, träumst Du davon, zurückzukehren.“

 

Aktuell arbeitet Ragnar Axelsson an einem Dreijahresprojekt, um das Leben der Menschen in allen acht arktischen Staaten zu dokumentieren. Solange es noch etwas festzuhalten gibt.

 

 

Text: Nicole Maschler

 

 



Informationen zur Ausstellung 

 

Wenn Sie es in diesen Tagen nicht nach München schaffen: Auf der Website der Versicherungskammer Kulturstiftung können Sie eine Auswahl der eindrucksvollen Schwarz-Weiß-Bilder entdecken.

 

Zudem gibt es eine spannende 360°-Tour durch die Schauso dass Sie sich auch aus der Ferne einen Einblick in das Werk des 63-Jährigen verschaffen können.

 

Und wer die faszinierenden Bilder in Ruhe anschauen will: Der Katalog zur Ausstellung ist im Kehrer Verlag erschienen.

 

Ragnar Axelsson

Where the World is Melting

224 Seiten, 149 Duplexabbildungen  |  49,90 Euro

 

Die Ausstellung ist noch bis zum 13. März 2022 im Kunstfoyer der Versicherungskammer Kulturstiftung München zu sehen.

 

Weitere Informationen finden Sie auch auf der Website von RAX. 


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