19.11.2022

Freunde fürs Leben

Mit In Küstennähe hat Joachim B. Schmidt 2013 sein Debüt vorgelegt. Jetzt ist die Geschichte um den alten Fischer Grímur und den jungen Tagedieb Lárus neu erschienen. Ein berührendes Buch über Außenseiter, Freundschaft und Mut, das wiederzuentdecken lohnt.

 

Gelber Leuchtturm an der isländischen Küste. Bild von Linmiao Xu auf Unsplash.
Von Freundschaft, Meer und Mut: Der Roman "In Küstennähe" von Joachim B. Schmidt. © Linmiao Xu auf Unsplash.

 

Ein Zufall bringt die beiden zusammen – den alten Fischer und den jungen Tagedieb.

 

Als die Heizung in Zimmer 37-A ausfällt, rückt Hausmeister Helmut an, um die Anlage wieder in Schwung zu bringen, den handwerklich gänzlich unbegabten Lárus im Schlepptau. Zimmerbewohner Grímur ignoriert die beiden Störenfriede und starrt ins Leere.

 

„Schlächter“ wird der Alte von den Leuten genannt, weil er vor Jahrzehnten seine Halbschwester ertränkt haben soll. Ein Sonderling, mit dem keiner zu tun haben will – und der mit seiner Mutter zeitlebens zurückgezogen am Rande von Ísafjörður lebte.

 

Als Kinder haben sie dem seltsamen Kauz das Leben schwer gemacht, und so ist Lárus froh, als er das düstere Zimmer wieder verlassen kann.

 

Doch bald überwiegt seine Neugier, und immer wieder erfindet er neue Gründe, um den wortkargen Greis einen Besuch abzustatten. Und auch der alte Mann scheint in der Gegenwart des Jungen aufzutauen – wenngleich er seine Sympathie hinter einer mürrischen Fassade verbirgt.

 

Ganz langsam entwickelt sich so eine Freundschaft zwischen den beiden Außenseitern, die das Leben im Nordwesten Islands zusammengeführt hat.

 

In Küstennähe ist das Debüt des gebürtigen Schweizers Joachim B. Schmidt, 2013 erstmals im Landverlag erschienen. Nun hat der Diogenes Verlag in Zürich das überzeugende Erstlingswerk als Taschenbuch-Ausgabe neu veröffentlicht.

 

Der Autor, der mit den Romanen Kalmann und Tell Bestseller landete, ist 2007 nach Island ausgewandert und lebt heute mit seiner Familie in Reykjavík.

 

Liebeserklärung - lakonisch und voller Empathie

 

Mit In Küstennähe hat er seiner isländischen Wahlheimat eine Liebeserklärung gemacht – rau und sperrig wie das Land selbst. 

 

Schmidt, Jahrgang 1981, bringt selbst einen ganzen Rucksack voller Erfahrungen mit, war Gärtner und Maurer, Kellner, Hilfskoch und Rezeptionist, bevor er nach Island auswanderte, und er ist ein genauer Beobachter.

 

In lakonischem Ton erzählt er die Geschichte der beiden ungleichen Freunde – mit viel Empathie für seine Figuren und ohne zu verurteilen.

 

Lárus ist gerade mal 20 und schon aus der Spur geraten. Tagsüber geht er dem Hausmeister im Altenheim zur Hand; in keinem Job hat er es lange ausgehalten. In seiner Freizeit dealt er und verdient damit gutes Geld.

 

Nur manchmal plagen ihn Gewissensbisse, wenn er sieht, wie sein Freund Stefán immer tiefer in den Drogensumpf rutscht.

 

Er selbst hält sich von hartem Stoff lieber fern – betrinkt sich stattdessen am Wochenende oder schlägt die Zeit am Computer tot. Was soll man sonst auch tun in einem abgelegenen Nest wie Ísafjörður.

 

Grímur hat den Filou an seiner Seite schnell durchschaut – ein Einzelgänger wie er selbst. Vielleicht fasst er deshalb bald Vertrauen zu dem Jungen.

 

Schließlich bittet er Lárus um einen Freundschaftsdienst, und dieser muss zum ersten Mal in seinem Leben Verantwortung übernehmen.

 

In Küstennähe ist eine tragikomische Geschichte über Vorurteile, Freundschaft und das, was wirklich zählt im Leben. Ein berührendes Buch voller Witz und Lebensweisheit, das wiederzuentdecken sich lohnt.  

 

 

Text: Nicole Maschler

 

 

Joachim B. Schmidt

In Küstennähe

Diogenes Verlag

336 Seiten



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