16.02.2022

Leuchtende Verse

Mit Das Alphabet des Feuers hat der Elif Verlag erstmals eine umfassende Gedichte-Sammlung aus Island vorgelegt. Die CD-Box lädt dazu ein, die ganze Bandbreite moderner isländischer Lyrik kennen zu lernen, die hierzulande bisher noch weitgehend unbekannt ist.

 

Schreibpult mit Tintenfass. Bild von Clark Young auf Unsplash.
Mit Worten zaubern: Isländische Lyrik lässt sich jetzt auch auf Deutsch zu entdecken. © Clark Young auf Unsplash.

 

Von einer weisen alten Frau erfährt der Dichter vom "Alphabet des Feuers“. Es verändere sich ständig, schöpferisch und vernichtend zugleich. Laufend entstünden neue Buchstaben – und verbrennen sofort. Eine neue Bedeutung entsteht und vergeht. Ein dunkles Traumbild und doch voller Kraft.

 

In Deutschland war Sigurður Pálsson 2019 eine Neuentdeckung, nicht so in Island und den skandinavischen Ländern. Mehr als 50 Lyrik-Bände erscheinen in Island pro Jahr. „Und die werden auch gelesen“, weiß Wolfgang Schiffer.

 

Gleichwohl ist isländische Poesie hierzulande noch immer weitgehend unbekannt. Das will der Island-Liebhaber ändern. Schiffer, bis zu seiner Pensionierung 2011 Leiter der Programmgruppe Hörspiel und Feature beim WDR in Köln, ist mehrmals pro Jahr auf der Insel, kennt viele Dichterinnen und Dichter persönlich.

 

Gemeinsam mit dem Elif Verlag hat er dem deutschen Publikum in den vergangenen Jahren bei zahlreichen Lesungen isländische Poesie nahe gebracht. Und immer wieder kam die Frage auf: Gibt es das auch als Hörbuch?

 

Warum nicht, dachte sich der Verlag. Schließlich war der 2019 erschienene Band Gedichte erinnern eine Stimme, dem Das Alphabet des Feuers entstammt, die meistrezensierte Veröffentlichung des Hauses und schaffte es sogar auf die Hotlist der zehn besten Bücher aus unabhängigen Verlagen.

 

Neue Formen, neue Themen

 

Die jetzt vorliegende Hörbuch-Box vereint drei im Elif Verlag veröffentlichte Gedichtbände, mit Jón úr Vör einen modernen Klassiker und einen Band mit neuer Lyrik. Die zwei Dichterinnen und drei Dichter eint, dass sich alle vom Reimschema gelöst haben.

 

Doch ihre Themen könnten unterschiedlicher nicht sein: Sigurður Pálsson, der um seinen nahenden Tod wusste, befasst sich in den hier versammelten Texten mit der Kraft der vier Elemente Feuer, Erde, Luft und Wasser und huldigt damit zugleich der rauen Schönheit seiner Heimat. Vilhjálmsdóttir rückt hingegen politische und gesellschaftskritische Themen in den Fokus und beleuchtet insbesondere die Rolle der Frau, während die junge Dichterin Friða Ísberg die innere Verfassung des lyrischen Ichs auslotet.  

 

Indem die Künstler:innen mit ihren ganz unterschiedlichen Ansätzen einander gegenübergestellt werden, erfahren wir viel über die Entwicklung Islands in den vergangenen 100 Jahren.

 

Die Gedichte hat Wolfgang Schiffer gemeinsam mit Jón Thor Gíslason ins Deutsche übertragen. Seit mehr als 25 Jahren arbeiten die beiden bereits zusammen: Der frühere Profi-Musiker Gíslason, der seit Anfang der 1990er Jahre als bildender Künstler in Deutschland lebt, und Wolfgang Schiffer, der unermüdliche Literaturvermittler.

 

Mit seiner ruhigen und tiefen Stimme betont Schiffer die Klarheit und Direktheit der Texte, die auch Leser:innen ansprechen dürften, die sich eher selten mit Lyrik beschäftigen.

 

Wer Island besser kennen lernen möchte, kann mit Das Alphabet des Feuers auf literarische Entdeckungsreise gehen.

 

 

 

Das Alphabet des Feuers

Wolfgang Schiffer liest Gedichte aus Island

 

CD 1: Ragnar Helgi Ólafsson,

          Denen zum Trost, die sich in ihrer Gegenwart nicht finden

          können

CD 2: Linda Vilhjálmsdóttir, Freiheit

CD 3: Sigurður Pálsson, Gedichte erinnern eine Stimme

CD 4: Friða Ísberg, lederjackenwetter

CD 5: Jón úr Vör, Das Dorf

 

Elif Verlag 2021



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