24.07.2022

Tante Emma 2.0 in Island

In Island hat jetzt der erste vollautomatisierte Supermarkt des Landes eröffnet. Hier gibt es weder Kassen noch Verkaufspersonal, dafür Shopping rund um die Uhr – dank Smartphone-App und QR-Code. Das klingt verlockend, wäre da nicht noch ein „Aber“.

 

Frau mit Einkaufskorb vor einem Supermarktregal. Bild von Tara Clark auf Unsplash.
Die Qual der Wahl hat man auch im digitalen Supermarkt. © Tara Clark auf Unsplash.

 

Tante Emma sucht man hier vergeblich. Islands erster vollautomatischer Supermarkt in Garðabær setzt komplett auf digitale Technik.  

 

Bisher war die fünftgrößte Stadt im Südwesten der Insel vor allem für Bessastaðir bekannt, den Amtssitz des isländischen Präsidenten. Nun gibt es eine weitere Attraktion: nær. Das heißt so viel wie näher, und der Name des Ladens ist Programm: reingehen, einkaufen, rausgehen.

 

Keine lange Schlange mehr an der Kasse, kein Kramen nach Kleingeld – kein Einkaufsfrust. Denn hier läuft alles mit modernster Technik.

 

Klár verslun steht über dem Eingang: intelligenter Laden. Wer rein will, registriert sich über eine Smartphone-App. Drinnen sieht es aus wie in jedem Supermarkt. Regale mit Obst und Gemüse, Kühltheken mit Käse und Skyr und die obligatorischen Süßigkeiten.

 

An der Kasse sitzt kein Verkäufer, gescannt wird selbst. Bezahlt wird per App.

 

Einkaufen ist zu jeder Tages- und Nachtzeit möglich, schließlich gibt es kein Personal und somit auch kein Arbeitszeitgesetz. Der Laden hat 24 Stunden am Tag geöffnet, 365 Tage im Jahr – ein echtes Shoppingparadies.

 

Zukunft des Einkaufens? 

 

Hier sehe er die Zukunft, sagte Inhaber Þórður Örn Reynisson gegenüber dem Rundfunksender RÚV.

 

Vorbild sei Amazon Go, die Supermarktkette des weltgrößten Onlinehändlers. Der hatte Anfang 2018 die ersten vollautomatisierten Shops in Großstädten wie New York, San Francisco und Seattle eröffnet, die komplett ohne Kassen und Verkäufer:innen auskommen.

 

Ganz ohne Personal funktioniert der Laden in Garðabær nicht. In den ersten Wochen wird immer jemand vor Ort sein – falls die Technik streikt oder die Kunden nicht weiterwissen. Und natürlich muss auch im Tante-Emma-Laden 2.0 jemand da sein, um die Waren in Empfang zu nehmen, Regale aufzufüllen und zu schauen, ob alles in Ordnung ist.

 

Ladendiebe bereiten Þórður Örn Reynisson indes keine Sorgen. Es sei Teil des Konzeptes, auf die Redlichkeit der Kundschaft zu vertrauen, sagte er RÚV.

 

Noch sei es sehr teuer, einen solchen Laden in Island einzurichten, räumt der Geschäftsführer ein. Die Preise will er gleichwohl möglichst niedrig halten.

 

Und wenn es gut läuft, soll es schon bald weitere Smartshops in der Hauptstadtregion geben.

 

Was für die clevere Geschäftsidee spricht:

  • Rund-um-die-Uhr-Shopping
  • kontaktloses Einkaufen
  • gesicherte Nahversorgung auch in ländlichen Regionen

Und was dagegen?

  • weniger Personal
  • kein Plausch an der Kasse
  • dafür jede Menge digitaler Spuren, die Kund:innen hinterlassen.

 

Digitaler Vorreiter Island

 

Island hat seit langem die Nase vorn, wenn es um die Digitalisierung geht. Ob Corona-App, elektronische Steuererklärung oder digitale Start-ups – das Internet hat sich zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor entwickelt.

 

Die Bevölkerung ist deutlich jünger als in anderen europäischen Ländern, und neue Trends verbreiten sich auf der kleinen Insel schneller als andernorts.

 

2019 hatten laut Eurostat 95% der Haushalte in Island Zugang zu Breitbandinternet. 99% der 16- bis 74-Jährigen surften im World Wide Web. Und 83% verfügten über digitale Kompetenzen.


Ähnliche Beiträge

09.05.2022 | Foto: Unsplash

Per App gegen Foodwaste

Start-up kämpft gegen Lebens- mittelverschwendung. Mehr

15.12.2020 | Foto: Unsplash

Auf dem Weg in die Zukunft

Den Kampf gegen Corona führt Island digital. Mehr