23.06.2024
Im Juni 1949 brachte der Dampfer Esja 280 Frauen aus dem zerbombten Nachkriegsdeutschland nach Island. In diesem Jahr jährt sich ihre Ankunft zum 75. Mal. In Ein isländischer Frühling erzählt Autorin Eva Seifert die Geschichte der deutschen Einwanderinnen.
Bloß weg. Den Trümmern und der Trauer entkommen. Esja – das bedeutet „stark“. Ein Name, der Mut macht. Und voller Hoffnung geht Ulrike in Hamburg an Bord des Dampfers.
Das Passagierschiff soll die junge Lübeckerin nach Island bringen – zusammen mit 280 weiteren Frauen. Ein Neuanfang in der Ferne, in einem kargen Land, von dem kaum eine von ihnen zuvor gehört hat. Am 9. Juni 1949 trifft der Dampfer in Reykjavík ein.
In Ein isländischer Frühling erzählt Autorin Eva Seifert die (fiktive) Geschichte von Ulrike und ihrer Freundin Lore, die an das Schicksal der Esja-Frauen angelehnt ist, die eine Reise ins Ungewisse unternehmen, um der Not im Nachkriegsdeutschland zu entfliehen.
Ulrike verschlägt es auf einen Hof im Süden Islands. Der Alltag in der abgelegenen Gegend ist eintönig und die Arbeit beschwerlich. Doch so schnell lässt sich die junge Frau nicht entmutigen.
"Eine Erfahrung, die ihr Leben verändern wird"
Autorin Eva Seifert im Interview mit der DIG
Im Gespräch mit der Deutsch-Isländischen Gesellschaft berichtet die aus Bremen stammende Autorin, wie die Idee zu dem Roman Ein isländischer Frühling (Blanvalet-Verlag) entstand und was sie daran gereizt hat, in die Vergangenheit zu reisen. Mehr
© Andrea Kannwischer
Seifert hat sich in ihrem Roman von realen Ereignissen inspirieren lassen.
In den ländlichen Regionen der Insel herrschte Frauenmangel, seit die boomende Fischindustrie in den Kriegsjahren vor allem junge Isländerinnen an die Ostküste gelockt hatte.
Der Isländische Bauernverband (Bændasamtök Íslands) wusste Abhilfe: Mit Anzeigen warb er in den Lübecker Nachrichten um „Dienstmädchen für Landhaushalte“, Monatslohn 500 Kronen, Kost und Logis frei. Frauen aus Norddeutschland passen am ehesten zu den Isländern, dachten sich die findigen Verbandsfunktionäre.
Allein, die langen Schlangen, die sich dann vor dem isländischen Konsulat in Lübeck bildeten, übertrafen selbst die optimistischsten Erwartungen.
Ankunft der Esja-Frauen in Island
In diesem Jahr jährt sich die Ankunft der deutschen Einwanderinnen zum 75. Mal – die erste Masseneinwanderung in Islands Geschichte, das damals gerade 140.000 Einwohner:innen zählte.
Doch Ein isländischer Frühling ist kein historischer Roman. Oder jedenfalls nicht nur. Denn die Geschichte spielt auf zwei Zeitebenen.
Mehr als 70 Jahre nach Ulrikes Ankunft auf der Insel landen Katharina und Bärbel am Flughafen Kevlavík.
Die Ärztin und ihre Mutter leben, DIG-Mitglieder wird es freuen, in Bremen. Auch Autorin Eva Seifert stammt aus der Hansestadt und hat ihre alte Heimat literarisch verewigt – nicht zum ersten Mal, wie sie im Interview mit der Deutsch-Isländischen Gesellschaft verrät.
Mehr erfahren:
Anne Siegel
Frauen, Fische, Fjorde.
Deutsche Einwanderinnen in Island
Malik National Geographic Taschenbücher 2016
272 Seiten
Katharina hat Bärbel den Urlaub zum Geburtstag geschenkt, um diese nach dem Tod des Vaters auf andere Gedanken zu bringen. Und auch sie selbst, Mitte 30 und Mutter von zwei Söhnen, ist froh, dem aufreibenden Alltag zwischen Praxis, Schule und Küche für ein paar Tage zu entkommen.
Auf Island wohnen sie bei Ellen, einer alten Freundin, und erfahren nach und nach, was die quirlige Töpferin mit Ulrike aus Deutschland verbindet.
Die zwei Zeitebenen, auf denen die Handlung spielt, lassen erahnen, welchen gewaltigen Wandel Island seit Mitte des 20. Jahrhunderts erfahren hat. So lernen wir viel über die Entwicklung des Landes vom Armenhaus Europas zur progressiven Wohlstandsinsel.
Eine berührende Reise in die Vergangenheit und ein spannendes Kapitel deutsch-isländischer Geschichte.
Eva Seifert
Ein isländischer Frühling
Blanvalet Verlag 2023
464 Seiten
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