20.01.2022

Isländischer Dorsch soll Wunden heilen

Ein Biotech-Unternehmen aus Island will die Medizin revolutionieren: Mit einem Transplantat aus Fischhaut sollen Wunden z.B. von Diabetes-Erkrankten künftig schneller heilen. In Ägypten unterstützt die Firma Kerecis jetzt ein Projekt, um Brandopfern zu helfen.

 

Fischernetz. Bild von Andres Canchon auf Unsplash.
Vom Beiprodukt zur medizinischen Revolution: Transplantate aus Fischhaut. © Gilbert Begeraud auf Unsplash.

 

Lange landete sie im Müll – bis ein Start-up aus Island auf Fischhaut setzte, um Wunden zu heilen. Heute ist Kerecis eines der am schnellsten wachsenden Unternehmen auf der Insel und will mit seinem Produkt auch Entwicklungsländern helfen.

 

Dafür hat die Biotech-Firma jetzt eine Förderung in Höhe von 230.000 US-Dollar (rund 200.000 Euro) aus dem SDG-Fonds des isländischen Außenministeriums erhalten.

 

SDG – das steht für Sustainable Development Goals, und Kerecis hat sich den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen verpflichtet. In einem jährlichen Bericht werden die Fortschritte etwa in den Bereichen Gesundheit, Geschlechtergerechtigkeit und Wirtschaftswachstum dokumentiert.

 

Mit dem Geld aus dem isländischen SDG-Fonds unterstützt das Unternehmen ein gemeinnütziges Projekt des Ahl Masr-Krankenhauses in Kairo. Die Klinik ist auf die kostenlose Behandlung von Brandopfern spezialisiert. In Ägypten passieren häufig Feuerunfälle, weil zum Kochen oft Kerosin verwendet wird.

 

„Wir sind dankbar für die Unterstützung durch das Außenministerium, die die Wirkung unseres Projektes erhöhen wird und uns ermutigt, noch mehr zu tun, um Menschen weltweit zu helfen“, wird der Gründer und CEO von Kerecis, Guðmundur Fertram Sigurjónsson, auf der Website der isländischen Regierung zitiert.

 

Alles dreht sich um den Dorsch

 

Bereits heute investiert das Unternehmen mit Sitz in Ísafjörður im Nordwesten Islands mehr als 20% seiner Einnahmen in Forschung und Entwicklung. In seinen Laboren dreht sich alles um Gadus morhua, besser bekannt als Dorsch bzw. Kabeljau, der hier für den medizinischen Einsatz vorbereitet wird.

 

Die Struktur der Fischhaut ist der menschlichen Haut sehr ähnlich. Wird sie z.B. auf eine diabetische Wunde verpflanzt, soll das den Heilungsprozess beschleunigen. Die Transplantate wirken wie ein Gerüst, das körpereigene Zellen anzieht und zum Aufbau von Gewebe anregt.

 

Die Dorsch-Haut bietet gleich mehrere Vorteile: Sie ist überaus flexibel und lässt sich passgenau zuschneiden – natürlicher Infektionsschutz inklusive. Denn die in der Fischhaut enthaltenen Omega-3-Fettsäuren hemmen Entzündungen und wirken anti-bakteriell; zudem fördern sie das Entstehen neuer Blutgefäße.

 

Bisher wurden Hauttransplantate aus Schwein, Rind oder menschlicher Nabelschnur gewonnen. Um Infektionen vorzubeugen, müssen diese jedoch sehr aufwändig bearbeitet werden; zudem ist ihre Matrix so dicht, dass Körperzellen kaum durchdringen können.

 

Anders bei der Fischhaut: Weil Kaltwasserfische keine Krankheiten auf den Menschen übertragen, muss sie nicht steril sein. So kann sie schonend verarbeitet werden und behält ihre natürliche Struktur.

 

Biotech-Firma setzt auf Nachhaltigkeit

 

Hersteller Kerecis, der laut Green by Iceland mittlerweile 150 Beschäftigte und Niederlassungen in den USA, Deutschland und der Schweiz hat, setzt dabei auf Nachhaltigkeit: So stammt die Dorsch-Haut zu 100% aus ökologischer Fischerei und wird komplett mittels erneuerbarer Energien verarbeitet.

 

Das Fischhaut-Transplantat ist mittlerweile in den USA und mehreren anderen Ländern in Europa und Asien als Medizinprodukt zugelassen. In Deutschland werden die Behandlungskosten bisher nicht von den Krankenkassen übernommen. Denn: Die Gewebsverpflanzung ist vergleichsweise teuer.

 

Eine europäische Studie soll nun belastbare Daten zum Kosten-Nutzen-Verhältnis liefern. Sie ist auf sechs Monate angelegt. Erste Ergebnisse sollen zu Jahresbeginn vorliegen.

 

Allein in Deutschland müssen pro Jahr mehr als 40.000 Diabetes-Erkrankte an Füßen und Beinen amputiert werden, weil ihre Wunden nicht heilen und sich entzünden.

 

„Wir sind überzeugt, dass unsere Produkte Leben retten und die Lebensqualität von Verletzten verbessern können“, betont Kerecis-Chef Guðmundur Fertram Sigurjónsson.