07.08.2025
Seit einem halben Jahr ist Islands neue Premierministerin Kristrún Frostadóttir im Amt. Viel Zeit zum Zaudern blieb der Newcomerin nicht. Beherzt ergriff die Sozialdemokratin ihre Chance – zielstrebig, zugewandt und bestimmt. Die Menschen im Land danken es ihr.
Kristrún Frostadóttir hat ziemlich viel richtig gemacht. Ende Dezember 2024 wurde die Sozialdemokratin zur jüngsten Premierministerin Islands gewählt – mit gerade einmal 36 Jahren.
Ein halbes Jahr später hat ihre Partei in Umfragen nicht nur die Nase vorn. Würde heute gewählt, erhielte die sozialdemokratische Allianz (Samfylkingin) im Parlament sogar mehr Sitze als am Wahlabend. Denn in allen isländischen Wahlkreisen ist sie inzwischen stärkste Kraft. Ein Rekordhoch – und weiterer Auftrieb für die Regierungschefin.
Kristrún Frostadóttir kam spät zur Politik – und stieg dann umso schneller auf.
Bis 2021 war die Wirtschafts- und Politikwissenschaftlerin mit Diplomen der angesehenen US-Hochschulen Boston und Yale in der Finanzbranche tätig, als Chefökonomin der Isländischen Handelskammer und bei der Kvika Bank, Islands viertgrößtem Kreditinstitut.
Sie arbeitete als Journalistin bei der Wirtschaftszeitung Viðskiptablaðið und in der Forschungsabteilung der Investmentbank Morgan Stanley in London und New York, eine Mutter mit zwei Kleinkindern.
Nichts deutete zu diesem Zeitpunkt auf eine politische Karriere hin.
Das sollte sich schlagartig ändern, als sie für die Allianz ins isländische Parlament einzog. Nach nur einem Jahr, damals noch in der Opposition, griff sie nach dem Parteivorsitz und arbeitete sich schnell zur beliebtesten Politikerin des Landes hoch.
Bei den vorgezogenen Neuwahlen Ende November konnten die Sozialdemokraten von der Popularität ihrer Chefin profitieren.
Islands Regierung
Premierministerin:
Kristrún Frostadóttir (Allianz) | Foto: Government of Iceland
Außenministerium:
Þorgerður Katrín Gunnarsdóttir (Reformpartei)
Finanz- und Wirtschaftsministerium:
Daði Már Kristófersson (Reformpartei)
Kaum gewählt, hatte Frostadóttir wenig Zeit, sich mit Parteien-Geplänkel aufzuhalten. Die Probleme drängten. Die bisherige Mitte-Links-Regierung hatte sich in der Energie- und Fischereipolitik sowie beim Streitthema Migration heillos verheddert. Die Menschen im Land erwarteten konkrete Lösungen.
Die Koalitionsverhandlungen mit der liberalen Reformpartei (Viðreisn) und der populistischen Volkspartei (Flokkur fólksins) schloss Frostadóttir innerhalb von drei Wochen ab. Kurz vor Weihnachten stand das neue Bündnis.
Erneut ergriff die designierte Regierungschefin beherzt ihre Chance.
Ebenso zielstrebig füllt sie seither ihr neues Amt aus. Die Mittdreißigerin gilt als freundlich, zugewandt – und bestimmt. Eigenschaften, die Kristrún Frostadóttir brauchen wird.
Denn ihr Bündnis ist auf schnelle Erfolge angewiesen. Die US-Importzölle setzen Islands Fischindustrie unter Druck, und hohe Energiepreise haben die Inflationsraten zwischenzeitlich in schwindelerregende Höhen getrieben.
Als Ökonomin kennt Kristrún Frostadóttir das Einmaleins des Haushalts. Erklärtes Ziel der Koalition ist es, die isländische Wirtschaft robuster zu machen; geplant sind Investitionen in das Gesundheitswesen und den Wohnungsbau – Wachstum und Beschäftigung als Schlüssel, um die Konjunktur wiederzubeleben.
Der wirtschaftspolitische Schlingerkurs der abgelösten Regierung soll der Vergangenheit angehören
Zusammensetzung des Parlaments (seit dem 30.11.2024)
Allianz (Samfylkingin)
Parlamentssitze: 15
Reformpartei (Viðreisn)
Parlamentssitze: 11
Volkspartei (Flokkur fólksins)
Parlamentssitze: 10
Allein, auch Vor-Vorgängerin Katrín Jakobsdóttir war mit großen Erwartungen ins Amt gestartet. Doch die Vorsitzende der Links-grünen Bewegung büßte ihren Nimbus als unbelastete Newcomerin im aufreibenden Koalitionsalltag schnell ein.
Am Ende gab sie ihren Posten als Premierministerin vorzeitig ab – nur um bei der Wahl zur isländischen Staatspräsidentin Schiffbruch zu erleiden. Im Spätherbst schaffte ihre Partei nicht einmal mehr den Sprung ins Parlament.
Eine Warnung für Kristrún Frostadóttir? Vielleicht. Doch Scheitern ist keine Option.