Eisbären, Grippe und ein Geschenk

2018 feierte Island den 100. Jahrestag seiner Unabhängigkeit. Der Weg dahin war weit. Im 13. Jahrhundert fiel die Insel erst an Norwegen und dann an Dänemark. In zähen Verhandlungen rangen die Isländer:innen der Krone mehr und mehr Rechte ab.

 

Bild von Ezekiel Elin auf Unsplash.
Bild von Ezekiel Elin auf Unsplash.

 

Nicht nur das Wetter war saumäßig, als Island am 1. Dezember 1918 seine Unabhängigkeit erlangte, wie sich der isländische Schriftsteller und Nobelpreisträger Halldór Laxness in seinen Memoiren erinnert. Es war einer der kältesten Winter der Geschichte, der selbst die Eisbären von Grönland hertrieb.

 

Bereits im Oktober hatte die Spanische Grippe die Insel erreicht; Schulen, Läden und Lokale blieben geschlossen, auch Zeitungen erschienen nicht mehr. Zur gleichen Zeit brach der Vulkan Katla aus. Wer nicht gestorben war, so Laxness, versammelte sich an diesem Dezembertag, um das neue Regierungsgebäude zu bestaunen.

 

100 Jahre später fallen die Feierlichkeiten opulenter aus. Zwölf Monate lang feiert Island 2018 das Jubiläum seiner Unabhängigkeit - mit einem Festakt, Ausstellungen und einer neuen Gesamtausgabe der Island-Sagas. Und auch Partnerländer wie Deutschland feiern mit.

 

Doch der Weg zur Unabhängigkeit war weit. Nach der Besiedlung ab ca. 870 n.Chr. erlebte Island eine erfolgreiche und friedliche Zeit. Das Land war in Godentümer unterteilt; wichtige Entscheidungen und Gerichtsurteile wurden in Þing-Treffen gefällt.

 

Doch Ende des 12. Jahrhunderts führten blutige Familienfehden das Land in den Bürgerkrieg. Die norwegischen Könige nutzten die Krise, um ihren Einfluss auf der Insel zu verstärken - und unterstellten Island 1262 der Krone. Die Insel befand sich nun in der Mitte des norwegischen Reiches, das sich vom heutigen Norwegen bis an die Westküste Grönlands erstreckte.

 

Rund 200 Jahre später fiel das norwegische Reich an Dänemark - und mit ihm Island, das fortan abgeschieden am Rand des neuen Königreiches lag.

 

Isländische Unabhängigkeitsbestrebungen

 

Zwar verstanden sich die Isländer immer als selbständiges Volk mit eigener Sprache. Doch politisch wurde dieser Anspruch erst im 19. Jahrhundert vertreten, als im Zuge eines erstarkenden Nationalbewusstseins eine Unabhängigkeitsbewegung entstand. In zähen Verhandlungen rangen die Isländer Dänemark nach und nach mehr Selbstbestimmungsrechte ab. 

 

1849, zur Feier des 1.000 Jahrestages der Besiedlung Islands, brachte Christian IX. als Geschenk eine Verfassung mit. Sie übertrug dem isländischen Parlament die gesetzgebende Gewalt. Allerdings behielt sich der König ein Vetorecht vor - und machte davon auch ausgiebig Gebrauch. Island blieb „ein untrennbarer Teil des dänischen Staates“.

 

Dennoch nutzen die Parlamentarier die neu gewonnene Freiheit und erließen künftig eigene Gesetze - statt weiterhin bloß Bittschriften nach Kopenhagen zu senden wie in der Vergangenheit. Der Kampf um die Souveränität verlief unblutig. 1904 wurde erstmals ein Einheimischer - Hannes Hafstein - Island-Minister mit Amtssitz Reykjavı́k. Am 1. Dezember 1918 trat das Deutsch-Isländische Unionsgesetz in Kraft. Gleichwohl herrschte der dänische König auch weiter über Island.

 

Doch das Unionsgesetz war kündbar, und 1944, als Dänemark von deutschen Truppen besetzt war, sagten sich die Isländer endgültig los, und das Land wurde zur unabhängigen Republik. Der 17. Juni ist seither Nationalfeiertag.

 

Eine eigene Verfassung hat Island bis heute nicht. Nach der Finanzkrise 2008 wagten die Isländerinnen und Isländer ein Projekt, das weltweit für Aufsehen sorgte: Sie schrieben ihre Verfassung neu - im Internet. Doch das ehrgeizige Vorhaben scheiterte. Aber das ist eine andere Geschichte.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen im DIG-Newsletter 2018.