20.05.2023

Europarat beschließt Reykjavík-Erklärung

Beim 4. Gipfel des Europarates in der isländischen Hauptstadt einigen sich die versammelten Staats- und Regierungschefs auf Initiative Islands auf ein internationales Schadensregister für die Ukraine unter der Schirmherrschaft der Menschenrechtsorganisation.  

 

Islands Premierministerin Katrín Jakobsdóttir bei der Unterzeichnung eines Registers beim Gipfel in Reykjavík. Bild von Europarat.
Europarat beschließt in Reykjavík ein internationales Schadensregister für die Ukraine. © Europarat.

 

Bei ihrem Gipfeltreffen in der isländischen Hauptstadt Reykjavík haben sich die Mitglieder des Europarates am 17. Mai 2023 auf die Einrichtung eines Schadensregisters für die Ukraine geeinigt.

 

Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine traten 43 Länder und die Europäische Union dem internationalen Entschädigungsmechanismus bei bzw. kündigten an, sich an dem Register zu beteiligen.

 

Das Gipfeltreffen fand auf Einladung des Gastgeberlandes Island im Konferenzzentrum Harpa in Reykjavík statt.

 

Unter den Teilnehmenden waren Bundeskanzler Olaf Scholz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wandte sich in einer Videobotschaft an die Staats- und Regierungschefs.

 

Angesichts der russischen Aggression gegen das Nachbarland stand das erneuerte Bekenntnis zu den Grundwerten des Europarates – Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit – im Fokus des zweitägigen Treffens.

Fotos: © Europarat.

Die versammelten Staats- und Regierungschefs setzten in Reykjavík mit der Einrichtung des Schadensregisters ein Zeichen der Solidarität mit der Ukraine. Es reiht sich ein in die internationalen Bemühungen gegen Straflosigkeit der von Russland begangenen Verbrechen.

 

Das vereinbarte Register soll einen Beitrag dazu leisten, Schäden, Verluste und Verletzungen, die durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine entstanden sind, zu dokumentieren. Dies soll den Weg für künftige Entschädigungen durch Russland ebnen.

 

Die für das Schadensregister zuständige Einrichtung ist zunächst auf drei Jahre begrenzt und soll ihren Hauptsitz voraussichtlich in Den Haag haben; dort befindet sich auch der Sitz des Internationalen Strafgerichtshofes.

 

Auch in der Ukraine soll es eine Vertretung geben, damit Opfer erlittene Kriegsschäden selbst melden können.

 

Die mit Russland verbündeten Nato-Staaten Türkei und Ungarn sowie Armenien, Aserbaidschan, Serbien und Bosnien-Herzegowina schlossen sich dem Schadensregister zunächst nicht an.  

Reykjavík-Erklärung

Die Mitglieder des Europarates verabschiedeten bei ihrem Gipfel am 17. Mai 2023 in der isländischen Hauptstadt die Erklärung 

United around our values. Foto: © Europarat

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Island, das seit November 2022 den Vorsitz im Ministerkomitee des Europarates führte, hatte die Idee des Schadensregisters in den vergangenen Monaten vorangetrieben.

 

„Das Register ist ein wichtiger Schritt zur Feststellung der Verantwortung für Verbrechen, die während des von Russland geführten brutalen Kriegs begangen wurden“, betonte die isländische Premierministerin Katrín Jakobsdóttir in ihrer Rede auf dem Gipfel.

 

Zum Abschluss des Treffens übergab Islands Außenministerin Þórdís Kolbrún Reykfjörð Gylfadóttir den Vorsitz im Ministerkomitee des Europarates an ihren lettischen Amtskollegen Edgars Rinkēvičs.

 

Lettland will sich in den kommenden sechs Monaten auf drei Schwerpunkte konzentrieren:

  • Demokratie und Rechtsstaatlichkeit stärken
  • freie Meinungsäußerung, Sicherheit von Journalisten und die digitale Agenda des Europarates
  • Reformen des Europarates voranbringen und die Beschlüsse des 4. Gipfels implementieren


Europarat in Kürze

 

Der Europarat ist die führende Menschenrechtsorganisation in Europa. Sein Ziel ist die Förderung der Demokratie sowie der Schutz von Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit in Europa.

 

Die Organisation wurde im Mai 1949 in London gegründet, um die Demokratie in Europa zu festigen und den Ausbruch weiterer Kriege auf dem Kontinent zu verhindern. 

 

Das Gremium mit Sitz in Straßburg hat 46 Mitglieder, von denen 27 der Europäischen Union (EU) angehören; sechs weitere Länder haben einen Beobachterstatus an; neben den USA, Kanada und Japan sind dies Mexiko, Israel und der Vatikanstaat.

 

Zu den Gründungsmitgliedern gehörten Belgien, Großbritannien, Dänemark, Frankreich, die Niederlande, Irland, Italien, Luxemburg, Norwegen und Schweden. Island trat der Organisation 1950 als zwölftes Mitglied bei. Nach dem Ende des Kommunismus schlossen sich auch die ost- und mitteleuropäischen Länder dem Europarat an.  

Fotos: © Europarat.

Die 46 Mitgliedstaaten des Europarates haben sich der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (ECHR) verpflichtet.

 

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) überwacht als Rechtsprechungsorgan, dass die Vertragsparteien ihre Verpflichtungen im Rahmen der Konvention erfüllen.

 

Das erste Gipfeltreffen des Europarates fand 1993 in Wien statt. 1997 tagte er in Straßburg. Der letzte Gipfel fand 2005 in Warschau statt. Das jetzige Treffen auf Island ist erst der vierte Gipfel in der mehr als 70-jährigen Geschichte der Organisation.

 

Die Präsidentschaft rotiert nach dem Alphabet zwischen den Mitgliedern; jedes Land hat den Vorsitz für sechs Monate inne. Island sitzt dem Ministerkomitee von November 2022 bis Mai 2023 vor.

 

Russland, das der Organisation 1996 beigetreten war, gehört dem Europarat nicht mehr an. Nach der Annexion der Krim im Jahr 2014 waren ihm zunächst die Stimmrechte in der Parlamentarischen Versammlung entzogen worden.

 

Es boykottierte daraufhin die Versammlung und stellte seine Zahlungen an den Europarat ein. Nachdem die Regierung in Moskau formell ihren Austritt aus dem Gremium erklärt hatte, beendete das Ministerkomitee des Europarates Russlands Mitgliedschaft im März 2022 auch offiziell.


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